Zusammenfassung
Vaskuläre Risikofaktoren spielen eine zentrale Rolle bei der Entstehung und Progression
von Demenzerkrankungen. Nicht nur bei der vaskulären Demenz, wo der Zusammenhang naheliegend
zu sein scheint, sondern insbesondere auch bei der Demenz vom Alzheimer Typ können
vaskuläre Risikofaktoren dazu beitragen, dass eine Demenz früher und stärker auftritt
als bei Personen ohne Risikofaktoren. Grundlage für diese Erkenntnis sind vor allem
große Kohortenstudien, welche die Bedeutung von vaskulären Risikofaktoren nicht nur
für die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Tumorerkrankungen sondern
eben auch für die Entstehung von Demenzen in den letzten Jahren gezeigt haben. Aus
Autopsiestudien ist zwar schon lange bekannt, dass es eine enge Verknüpfung von Alzheimerpathologie
und vaskulärer Pathologie in Gehirnen von Demenzpatienten gibt, kausale Aussagen sind
aber wegen der hohen Prävalenz auch bei asymptomatischen Personen schwierig. Verschiedene
Risikofaktoren sind neben genetischen Faktoren und möglichen Umweltfaktoren als synergistische
Faktoren in der Demenzentstehung anzusehen. Sie entscheiden in der Summe darüber,
ob, wann und mit welch rascher Progredienz eine Demenz auftritt. Als wichtigste nicht
modifizierbare Risikofaktoren sind das Alter und eine genetische Prädisposition wie
der Apolipoprotein-E-Genotyp zu nennen. Demgegenüber stehen modifizierbare vaskuläre
Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Hypercholesterinämie, Rauchen, Diabetes mellitus
und ein Lebensstil ohne ausreichende körperliche Aktivität. Aktuelle Daten aus großen
Interventionsstudien zeigen, dass das Konzept eines multimodalen Ansatzes mit konsequenter
Behandlung möglichst aller modifizierbaren Risikofaktoren durchaus Erfolge zeigen
kann. Dabei zielen die aktuellen Studien sogar auf relativ späte Interventionszeitpunkte,
welche schneller messbare Ergebnisse versprechen. Es bleibt zum gegenwärtigen Zeitpunkt
Spekulation, ob die Effekte nicht noch viel größer wären, wenn die Intervention bereits
viel früher im Leben ansetzen würde. Immerhin ist bekannt, dass bspw. Bluthochdruck
und fehlende körperliche Aktivität bereits im mittleren Lebensalter einen Risikofaktor
für die spätere Entwicklung einer Demenz darstellen. In diese Richtung könnten Daten
aus aktuellen großen epidemiologischen europäischen Studien interpretiert werden,
die eine leichte Reduktion der Demenzprävalenz in modernen Kohorten zeigen. Sie sind
möglicherweise ein Hinweis darauf, dass einige der bereits in breiten Patientengruppen
umgesetzten Maßnahmen wie eine bessere Blutdruckeinstellung und eine Reduktion des
Raucheranteils in der Bevölkerung erste Effekte in der Demenzprävention zeigen. Den
modifizierbaren Risikofaktoren kommt in der heutigen Zeit eine besonders große Bedeutung
in der Prävention und möglicherweise auch Behandlung von Demenzerkrankungen zu, da
effektive kausale Therapien bei praktisch allen Demenzerkrankungen noch fehlen. Wenn
es gelingen würde, die Prävalenz der modifizierbaren Risikofaktoren auf Bevölkerungsebene
zu reduzieren, würde dies eine erhebliche Reduktion der Demenzprävalenz bedeuten.
Die so mit relativ einfachen Maßnahmen realistisch erreichbare Reduktion von Demenzerkrankungen
hätte nicht nur medizinisch, sondern auch gesellschaftlich und ökonomisch eine große
Bedeutung. So lange keine effektive Therapie von Demenzerkrankungen vorliegt, sollten
wir zumindest alles daran setzen, die bereits bekannten Möglichkeiten zur Reduktion
der Demenzfälle besser auszuschöpfen.
Abstract
Vascular risk factors play a key role in the onset and progression of dementia. This
is true not only for vascular dementias but also for neurodegenerative dementias such
as Alzheimer’s disease. Co-existing vascular risk factors can lead to earlier onset
of dementias and a more progressive course of the disease. Our understanding of these
correlations comes mainly from large cohort studies showing a major impact of vascular
risk factors not only on cardiovascular diseases and cancer but also on dementias.
Autopsy studies already revealed connections between vascular disease and neurodegenerative
dementias, but they are difficult to interpret because of the high prevalence of asymptomatic
carriers of pathologically proven vascular and Alzheimer pathology. There are several
vascular risk factors besides genetic and environmental ones that contribute in a
synergistic manner to the evolution of dementia. All of these factors sum up to an
individual dementia risk, and they can also influence the point of time when dementia
starts and the severity and speed of progression. The most important non-modifiable
risk factors include age and genetic risk like apolipoprotein-E carrier status. However,
many risk factors are modifiable, including high blood pressure, dyslipidaemia, smoking,
diabetes and a sedentary life style. Current data from large intervention studies
show promising results of a multimodal treatment concept with systematic treatment
of the modifiable risk factors that can reduce the prevalence of dementia. These results
are even more inspiring because the interventions in current studies started quite
late to get answers in a reasonable time. To date, it remains speculative if the effects
would not be even better if interventions are started earlier in life. At least, it
is well established that, some risk factors, if present during mid-life, like elevated
blood pressure and lack of physical activity, raise the risk of dementia. Some large
epidemiological studies seem to support this hypothesis: they showed a significant
decrease in dementia prevalence in modern cohorts compared to very similar cohorts
examined many years before. These studies suggest that some preventive measures that
are already partly implemented like reduced numbers of smokers or better control of
blood pressure exert early effects. Nowadays, modifiable risk factors carry a huge
potential for prevention and maybe also treatment of dementias as effective causal
treatments are still missing for most types of dementia. If modifiable risk factors
could be controlled in a more effective way, this would lead to a significantly reduced
number of dementia cases. The potential reduction of dementia cases that could be
achieved with better control of vascular risk factors would have major significance
not only from a medical point of view but also have an effect on a social and economic
level. As long as effective therapies for most dementia cases are still lacking, we
should increase our efforts to optimize the implementation of all preventive measures
that are already known and available.
Schlüsselwörter
Demenz - Alzheimer - vaskulär - Risikofaktor - Prävention
Keywords
Dementia - Alzheimer - vascular - risk factor - prevention